4. Ostersonntag im Jk, Lj C, 12.5.2019, Hösbach-Bahnhof
Am vergangenen Sonntag durfte ich zwei Kinder, darunter das zweite Kind einer Mitarbeiterin, taufen – ein wahres Fest! Eine Vielzahl von jungen Eltern feierten den Gottesdienst mit. Die Eltern des kleinen Samuel saßen mit ihrer größeren Tochter mittendrin und strahlten. Das Leben, das sich da auftut, ist zu spüren.
Nachher erst erfuhr ich, dass die Eltern in Sorge um die Gesundheit des kleinen Jungen sind. Mein Respekt ist umso größer, weil ich weiß, dass die erste Zeit mit der jetzt vierjährigen Anna keineswegs einfach war. Und dennoch freuten sich die jungen Eltern auf das zweite Kind und setzen alles daran, den beiden Kindern einen guten Weg ins Leben zu ebnen.
Auch wenn ich keine Kinder, keine eigene Familie habe, so sind mir doch die Erfahrungen der eigenen Kindheit präsent wie auch die Wahrnehmung junger Familien um mich herum. All das lehrt mich, dass es für Eltern nicht nur glückliche Momente gibt:
- Da sind die Zeiten durchwachter Nächte am Bett eines kranken Kindes,
- die Sorgen um die gute Entwicklung des Kindes,
- der endlose Streit zwischen den Geschwistern,
- da geht es um das Pflichtbewusstsein des Kindes im Blick auf Schule und andere Aufgaben,
- es stellen sich Fragen zur Ausbildung und damit zur Zukunft des Kindes,
- es kommen Freunde oder Freundinnen und ihr Einfluss löst Unsicherheit und Zweifel aus,
- Da sind aber auch Entbehrungen und persönliche Einschränkungen, die Eltern bewusst in Kauf nehmen um der Kinder willen.
Sollte man vor diesem Hintergrund nicht Verständnis haben für die Lehrerin an einem Regensburger Gymnasium, die vor einigen Wochen ein Buch herausgegeben hat mit dem Titel „Kinderfrei statt kinderlos – ein Manifest“? Die 39-jährige bekennende Feministin plädiert für einen Verzicht auf Kinder, unter anderem aus Gründen des Klimaschutzes. Sie beruft sich sogar auf den Club of Rome, der vor einiger Zeit vorgeschlagen, an jede 50-Jährige ohne Kinder 50.000 Euro zu zahlen als Belohnung, weil sie den Planeten schont. Jedes Neugeborene, so schreibt sie, belaste im Laufe seines Lebens unseren Planeten um 58,6 Tonnen Kohlendioxid. Kinder setzt sie also mit Umweltsünden gleich. Außerdem ist für die Lehrerin Familienarbeit ein reaktionäres Projekt.
In der Diskussion um dieses Buch schreibt eine Journalistin in ihrem Kommentar in einer großen Tageszeitung: „Auch wenn ihr es euch nicht vorstellen könnt: Kinder machen glücklich … Kinder machen auch Schmutz. Und Krach. Und kosten viel Geld. Und Karriere. Und rauben uns die Ruhe. Und wenn sie in der Pubertät sind erst recht, denn dann rauben sie uns auch den letzten Nerv. … Und trotzdem sind sie für viele Menschen das Beste, was ihnen passieren konnte. Denn mit Kindern schafft man sich etwas an, was unbezahlbar ist: eine Familie.“
Die Kommentatorin verweist auf das Netzwerk von Menschen jeder Generation und mit unterschiedlichsten Persönlichkeiten, das uns durch unser Leben trägt, auch wenn wir langsamer sind oder nicht so leistungsfähig, „ein Netzwerk, das keine Nachbarschaftshilfe und keine Pflegeversicherung ersetzen kann, das nicht auf einer staatlich angeordneten Solidarität, sondern auf Liebe beruht.“
Der unvergessene dänische Theologe und Philosoph Søren Kierkegaard schrieb: „… auch noch in einem anderen Sinne sind Kinder ein Segen, weil man selber so unbeschreiblich viel von ihnen lernt.“
Kinder geben dem Leben einen Sinn. Kinder sind eine Bereicherung – für ihre Eltern, aber auch für unsere Welt, denn sie werden unsere ganze Gesellschaft vorantreiben mit ihren Ideen, ihrer Individualität, ihrer Empathie, ihrer Liebe. Kinder bremsen uns nicht nur, sie entschleunigen das Tempo, mit dem wir durchs Leben rasen, sie verändern unsere Sichtweise.
Deshalb nochmals zurück zu der jungen Familie, mit der ich am vergangenen Sonntag Taufe feiern konnte. Sie sind glücklich, auch wenn sie eine große Aufgabe haben.
Jeder von uns wird mit seiner eigenen Lebenserfahrung belegen können, dass wir unseren Eltern sicher nicht nur glückliche Stunden bereitet, sondern immer wieder Sorgen gemacht haben. Doch jeder von uns verdankt die eigene Entwicklung, das Vertrauen ins Leben, die Freude am Leben und den Mut zum Leben der Zuneigung und Fürsorge seiner eigenen Eltern.
Doch kommen wir zurück zu der Frage, ob es ein Glück ist, Mutter, Vater, also Eltern zu sein. Auf der einen Seite die Lehrerin, die behauptet, Kinder sind eine Belastung – nicht nur für die Umwelt, auf der anderen Seite Eltern, die glücklich strahlen.
- Tatsächlich ist es großartig, wenn Eltern sich durch Kinder beschenkt fühlen und glücklich sind.
- Das kleine Kind ist ein großes Geschenk für seine Eltern, die eines Tages die Fürsorge ihres Kindes erfahren dürfen.
- Jedes Kind bedeutet aber auch Glück und Segen für unsere Gesellschaft, weil es unsere Welt belebt und bereichert und, geprägt durch die Erfahrung, dass es willkommen ist und einerlei wie begabt es ist, das Leben in der Welt menschlicher macht. Deshalb wären unserer Gesellschaft viel mehr Kinder zu wünschen!
- Von Glück können vor allem die Kinder reden, die aufgehoben sind in den Armen und an der Hand der Eltern, die ihnen auf diese Weise dazu verhelfen, ihren Weg in und durch das Leben zu finden.
Deshalb ist es meines Erachtens ein Unglück, dass das Ja zu Kindern sehr häufig von ökonomischen und sogar von ökologischen Fakten abhängig gemacht wird und unsere Gesellschaft – von den Medien über die Wirtschaft bin hin zur Politik – nicht willens scheint, die Bedeutung von Kindern für das Leben und für die Zukunft des Einzelnen wie der Allgemeinheit zu unterstreichen und dafür eindeutige Zeichen zu setzen.
Der vierte Ostersonntag wird seit alters in unserer Kirche als der Sonntag des guten Hirten gefeiert. Wir beten an diesem Tag dafür, dass junge Leute bereit sind, den Ruf Gottes zum Hirtendienst an den Menschen anzunehmen und zu ihrem Beruf zu machen. Heuer fällt auf diesen Sonntag auch der Muttertag. Für mich geht es dabei nicht nur darum, all den vielen Müttern einfach Danke zu sagen, sondern wichtiger scheint mir, zu beten, dass viele Eltern ihren Kindern die Zuwendung des Guten Hirten schenken und sie ermutigen, als Erwachsene auch einmal für andere da zu sein.
Im Evangelium wurde uns der gute Hirte vor Augen gestellt: Der gute Hirte ist
- einer, der sich für andere einsetzt, ohne auf den eigenen Vorteil und Nutzen bedacht zu sein, der sie nicht hintergeht, sie nicht für seine Zwecke und Vorstellungen benutzt,
- einer, der auf diese Weise eine Beziehung aufbaut, die Vertrauen schenkt und Mut macht,
- einer, der darin eine Auf - Gabe von Gott erkennt und so immer wieder zum Geburtshelfer für Leben und neue Lebenserfahrungen wird,
- einer, der das Herz berührt, dem ich vertrauen und folgen kann,
- einer, der den ihm Anvertrauten die Tür zum Leben öffnet,
- einer, der alles daransetzt, damit andere Leben in Fülle erfahren.
Eine der ältesten christlichen Malereien, die wir in den Katakomben Roms finden, zeigt Jesus als den guten Hirten, der ein schwach gewordenes Schaf auf seinen Schultern trägt. Dieses Bild erinnert an die zärtliche Sorge einer Mutter. Johannes Paul I. sagte einmal: „Gott ist Vater, mehr noch, er ist Mutter.“ Dabei geht es in allen Zeiten um die bleibende Erfahrung, dass dem gläubigen Menschen im Schutz eines solch mütterlichen Gottes nichts fehlen wird, genauso wie einem Kind nichts fehlt, das sich in der Nähe seiner Mutter geborgen weiß.
Papst Franziskus würdigte vor einiger Zeit die Mütter. Er sagte, der wichtigste Ratgeber in allen Notlagen sei die eigene Mutter. Mütter seien die herausragenden Vorbilder. Sie seien eine Verbindung zwischen Gott und dem Herz jedes Einzelnen.
Während in unserer Gesellschaft die Gedanken vor allem darum kreisen, wie junge Eltern möglichst bald nach der Geburt ihres Kindes wieder in den Arbeitsprozess eingegliedert und für eine möglichst frühe Betreuung der Kinder Einrichtungen geschaffen werden können, wird leider zu wenig danach gefragt, was Kinder in den ersten Jahren auf ihrem Weg ins Leben vor allem brauchen, nämlich die emotionale Geborgenheit, die sie besonders durch die Liebe und Zuneigung ihrer natürlichen Eltern, insbesondere ihrer Mütter erfahren.
Ebenso wird leider zu wenig danach gefragt, was ein alter, gebrechlicher Mensch – weit über die professionelle Betreuung und Pflege hinaus – braucht, nämlich die Zuneigung und Fürsorge der Menschen, denen er bzw. sie in jungen Jahren Begleiter auf dem Weg ins Leben war.
Über alles Rechnen, Berechnen, Diskutieren und Debattieren, wie der Weg am Anfang und am Ende des Lebens zu gestalten sei, brauchen wir Menschen, die sich als gute Hirten erweisen. Deshalb danken wir an diesem Sonntag des Guten Hirten besonders auch Müttern und Vätern, dass sie auf Gott vertrauen und von ihm her Leben annehmen und weiterschenken.
Gott sei Dank gibt es Menschen, die Hirten sind und sein wollen, denen an den Mitmenschen liegt, die Kinder im Arm halten und an der Hand ins Leben führen und dabei trotz aller Mühen und Entbehrungen, Rücksichtnahmen und Verzichte immer wieder Augenblicke erleben, bei denen sie einfach glücklich sind und strahlen.
Domkapitular Clemens Bieber
www.caritas-wuerzburg.de
Zur Besinnung nach der Kommunion
Jesus Christus, du guter Hirte!
Dein Wort auf meiner Zunge.
Deine Güte auf meinen Lippen.
Deine Verheißungen in meinen Gedanken.
Deine Zärtlichkeit in meinen Fingern.
Deine Liebe in meinem Herzen.
Deine Entschlossenheit in meinem Handeln.
Dein Blut in meinen Adern,
Deine Kraft in meinen Füßen.
Deine Gestalt in meinem Leben.
Deine Herrlichkeit in meinem Leib.
Dein Leben in meinen Bewegungen.
Deine Hirtensorge in meinem Tun.